Mittwoch, 19. Mai 2021, 18:30 - 20:00 iCal

Ringvorlesung Turkologie Sommersemester 2021

„Happy Together”: The entangled history of Jewish communities in Ottoman lands and Turkey

Institut für Orientalistik
Spitalgasse 2, Hof 4.1 (Campus Universität Wien), 1090 Wien

Vortrag


Martin Stechauner (Wien)

Wien als die Wiege des sephardischen Sephardismus

Abstract

Die sephardische Gemeinde Wiens, in offiziellen Dokumenten meist als „Türkisch-Israelitische Gemeinde zu Wien“ bezeichnet, war eine der kleinsten, gewiss aber auch eine der faszinierendsten jüdischen Gemeinden des späten Habsburgerreiches. Hinsichtlich ihrer Migrationsgeschichte stellten die Wiener Sepharden nicht nur eine jüdische, sondern auch eine osmanische Minderheit bzw. Auslandsgemeinde dar. Außerdem kann Wien als westlichster Außenposten der sogenannten östlichen sephardischen Diaspora angesehen werden. So gesehen befanden sich die sephardischen Juden Wiens zwar geographisch an der Peripherie, gleichzeitig aber auch inmitten eines kulturell wie politisch wichtigen Zentrums. Gerade diese einzigartige Position sollte sephardischen Intellektuellen in Wien dabei helfen ihr Selbstverständnis hinsichtlich ihrer „sephardischen“ (d.h. spanischen) Herkunft neu zu definieren. Anders als ihre sephardischen Glaubensbrüder und -schwestern im osmanischen Reich, die sich ihrer iberischen Herkunft kaum bewusst waren oder sich wenig dafür zu interessieren schienen, begannen sich die Wiener Sepharden spätestens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer neuen kulturellen Bewegung, dem Sephardimus, zuzuwenden. Unter Sephardimus versteht man ein kulturelles Phänomen, das bereits einige Jahrzehnte zuvor von liberalen Juden in Österreich und Deutschland entwickelt und popularisiert worden war. Besonders die literarischen und architektonischen Spielformen des deutsch-jüdischen Sephardimus, der sich die zum Teil verklärte glorreiche Geschichte der Juden im mittelalterlichen Spanien zum Vorbild nahm, stießen bei den Wiener Sepharden auf große Resonanz. Ziel dieses Vortrages ist es aufzuzeigen, wie sich sephardische Juden in Wien durch Vermittlung aschkenasischer Intellektueller ihrer fast vergessenen spanischen Wurzeln wiederbesinnten und darauf basierend ihren eigenen „sephardischen Sephardismus“ kreierten. Darüber hinaus soll vermittelt werden, wie der anfänglich kulturell geprägte Sephardimus der Wiener Sepharden ab der Wende zum 20. Jahrhundert zusehends politisiert und schließlich in andere sephardische Gemeinden – v.a. auf den Balkan aber nach Frankreich – exportiert wurde.

Bio

Martin Stechauner ist promovierter Religionswissenschaftler. Sein Dissertationsprojekt mit dem Titel „The Sephardic Jews of Vienna: A Jewish Minority Crossing Borders“, das von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gefördert wurde, schloss er 2019 in Rahmen eines Co-Tutelle de Thèse zwischen der Universität Wien und der Hebräischen Universität in Jerusalem ab. Martin Stechauner hat bereits mehrere Artikel über sephardisches Judentum in der Habsburg-Metropole publiziert. Sein letzter, „Vienna: A Cultural Contact Zone between Sephardim and Ashkenazim“, ist erst kürzlich im Sammelband Sephardim and Ashkenazim (Hg. Sina Rauschenbach, De Gruyter, 2020) erschienen. Zu seinen Forschungsinteressen zählen v.a. die jüdische Geschichte des Habsburgerreichs und Österreichs, religiöse Bewegungen im Einflussgebiet des ehemaligen Osmanischen Reichs, sowie Religionspsychologie. Neben seinen Forschungstätigkeiten absolviert Martin Stechauner derzeit einen psychoanalytischen Lehrgang an der Universität Wien.

 

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Veranstalter

Institut für Orientalistik


Kontakt

Ayse Dilsiz Hartmuth
Institut für Orientalistik
+43-1-4277-43451
ayse.dilsiz@univie.ac.at