Mittwoch, 21. Juni 2023, 18:30 - 20:00 iCal

Ringvorlesung Turkologie 2023SS

Canon, heritage and the nation: Narratives of modernity between past and future in Republican Turkey (1923-2023)

Institut für Orientalistik
Spitalgasse 2, Hof 4.1 (Campus Universität Wien), 1090 Wien

Lecture


Afterlives in the memories of others: Zeitgenössische Kunst und historisches Exil in Istanbul

Burcu Dogramacı (LMU München)

Abstract

Istanbul war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Fluchtpunkt für Exilierte: Leon Trotzki wurde Ende der 1920er Jahren aus der Sowjetunion verbannt und lebte einige Jahre auf der Prinzeninsel Büyükada/Prinkipo. Der Botaniker Kurt Heilbronn floh vor den Nationalsozialisten an die Stadt am Bosporus und initiierte die Gründung des Botanischen Gartens. Auch die Architekt*innen Bruno Taut und Margarete Schütte-Lihotzky emigrierten in den 1930er Jahren nach Istanbul. Ihr Aufenthalt hinterließ Spuren, sei es in erhaltenen Architekturen und Lehrbüchern (Taut), in nicht ausgeführten (aber publizierten) Entwürfen und Autobiografien (Schütte-Lihotzky). Bisweilen sind die Schauplätze und historischen Orte ihres Lebens und Wirkens dem Verfall preisgegeben (Trotzki) oder demontiert worden (Heilbronn). Doch sind Leben und Arbeiten der hier erwähnten Exilierten auch in den Werken einer nachfolgenden Künstler*innengeneration aufgehoben. So bezieht sich die Künstlerin Gülsün Karamustafa in ihrem Werk „Modernity Unveiled/Interweaving Histories“ (2010) auf die Dorfschulen der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky. William Kentridge schuf 2015 für die Istanbul Biennale mit seiner Videoarbeit „O Sentimental Machine“ eine Hommage an Trotzkis Aufenthalt auf Büyükada. Die Künstlerinnen Dilşad Aladağ und Eda Aslan und widmen sich in ihrer Installation „The Garden of (not) Forgetting“ (2017ff.) dem Botanischen Garten von Istanbul. Mein Vortrag erweitert den Begriff des „Heritage“ auf künstlerische Praktiken als alternative Formen des Erinnerns und Gedenkens an ein „Erbe“: in den zeitgenössischen Werken findet die von Vergessen und Überschreibung bedrängte Exilgeschichte ein widerständiges Nachleben.

Bio

Burcu Dogramacı ist seit 2009 Professorin am Institut für Kunstgeschichte der LudwigMaximilians-Universität München mit Schwerpunkt auf der Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart. 2000 Promotion (bei Martin Warnke) mit einer Dissertation über die Berliner Modegraphikerin Lieselotte Friedlaender und die Pressegrafik der Weimarer Republik. 2005 Förderpreis des Aby M. Warburg-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg. 2007 Habilitation in Hamburg mit einer Schrift über deutschsprachige Architekten, Stadtplaner, Bildhauer und Kunsthistoriker in der Türkei nach 1927. Erhielt für die Habilitationsschrift 2008 den Kurt-Hartwig-Siemers-Wissenschaftspreis der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung. 2011–12 Senior Research Fellow am Center for Advanced Studies der LMU München. 2014 Preis für gute Lehre des Bayerischen Staatsministeriums. 2016 ERC Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates. Sie forscht und lehrt zu Exil und Migration, Fotografie und Fotobuch, Mode, Architektur und Stadt, Skulptur der Moderne und Nachkriegszeit, Live Art.

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Veranstalter

Institut für Orientalistik


Kontakt

Ayse Dilsiz Hartmuth
Institut für Orientalistik
+43-1-4277-43451
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