Dienstag, 09. April 2013, 19:00 - 20:30 iCal

Queere Mehrwerte, Arbeit, Spekulation? Entwurf einer queer-feministischen Perspektive auf Biotechnologien

Dr. in Ute Kalender

Hörsaal B
Spitalgasse 2-4 / Hof 2.10, 1090 Wien

Vortrag


Materialistische Feministinnen wie Melinda Cooper haben in den letzten Jahren die Frage aufgeworfen, wie Biotechnologien in einem zunehmend finanzialisierten Kapitalismus aus Geschlechterperspektive einzuordnen sind: Welche neuen globalen Akkumulations-, Enteignungs- und Arbeitsregime entstehen und welche Rolle spielen staatliche Politiken dabei? Aus einer postkolonialen Perspektive haben sie zudem gezeigt, dass die Produktion von Körperrohstoffen für Frauen, Paare und Bioindustrie des globalen Nordens in den globalen Süden ausgelagert wird. Eine queere Perspektive schimmert zwar an einigen Stellen durch: Das Verhältnis von Sexualität, Geschlecht und Heteronormativität im Biokapitalismus steht aber nicht im Mittelpunkt materialistischer Feminismen. Queere Beiträge haben Biotechnologien bislang nicht in einen Zusammenhang mit globalen, biokapitalistischen Arbeitsteilungen und neuen Akkumulationsformen gestellt: New Queer Materialisms tendieren zu einem „queeren Optimismus“ und sehen in Biotechnologien queere Mehrwerte. Queer Theory zum Krisenkapitalismus behandelt das Thema Biokapitalismus bislang nicht. Und queere Ökonomiekritik liefert schließlich aus gouvernementalitätstheoretischer Sicht wichtige Analysen jener neoliberalen Heteronormativität, die betriebliche Arbeitsverhältnisse, Körper- und Selbstverhältnisse reguliert. Die Frage nach Vermittlungsinstanzen wie Staat oder nach der Rolle ‚des‘ Bewegungsgesetzes, das ‚dem‘ Kapital und kapitalistischen Produktionsweisen immanent ist, gerät jedoch eher aus dem Blick. Mein Vortrag versucht beide Ansätze zusammenzubringen und eine queer-feministische sowie materialistisch-feministische Perspektive auf Biotechnologien, Biowerteproduktion und Finanzkapitalismus anzudenken: Haben Stammzellen einen queeren Mehrwert? Wie kann der finanzdominierte globale Biokapitalismus aus einer queeren Perspektive analysiert werden? Wie können sexuelles, geschlechtliches und regeneratives Arbeiten zusammengedacht werden?

 

Dr.in Ute Kalender bereitet momentan ein Forschungsprojekt zu regenerativer Arbeit aus queer-feministischer Sicht vor. Sie war Post-Doc in einem komparativen, transnationalen Forschungsprojekt zu biologischer Staatsbürgerschaft, im Graduiertenkolleg Geschlecht als Wissenskategorie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Research Fellow am Bios Centre der London School of Economics. Wichtige Veröffentlichungen sind Körper von Wert, „In-vitro-Fertilisation“ im Glossar der Gegenwart oder „Queere Potentiale?“ in der Sonderausgabe The Queerness of Things Not Queer: Entgrenzungen, Materialitäten, Interventionen der Feministischen Studien. Jenseits des akademischen Feminismus initiiert sie Aktionen zu Rohstoffarbeit auf dem Berliner Slutwalk oder arbeitet mit Künstlern, Dokumentarfilmerinnen, Architekten und politischen Aktivistinnen in einer Gruppe zum New Materialism.

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Veranstalter

Referat Genderforschung der Universität Wien


Kontakt

Sushila Mesquita
Referat Genderforschung
4277-18455
sushila.mesquita@univie.ac.at