Donnerstag, 16. Mai 2013, 16:00 - 18:00 iCal

Konrad Liessmann, Universität Wien: Fächerdämmerung

Über das Verschwinden des Faches im Zeitalter der Kompetenz

Zentrum für LehrerInnenbildung
Porzellangasse 4, 1090 Wien

Vortrag


Die Idee von "Fachdidaktik" hat zwei Voraussetzungen: dass es Fächer gibt und dass die Vermittelbarkeit und Lehrbarkeit dieser Fächer von der Fachlichkeit des Faches bedingt ist. So wie die Idee der Fächer unterstellt, dass es fachspezifische Logiken der Forschungen gibt, so unterstellt die Idee der Fachdidaktik, dass die Logik der Vermittlung von der Logik der Fächer nicht getrennt werden kann. Die aktuelle Entwicklung entzieht diesen Voraussetzungen zunehmend den Boden. Das beginnt mit der Kompetenzorientierung, die operationalisierbare Fähigkeiten und nicht fachspezifische Kenntnisse als zentrales Ziele von Lernprozessen proklamiert, das setzt sich fort in einer impliziten und expliziten Kritik am Konzept von Fachlichkeit, die sich in Begriffen wie Interdisziplinarität, Transdisziplinarität, Fächerbündel oder Aufhebung der Fachgrenzen manifestiert, und das endet in einem Konzept allgemeiner Fachdidaktik, das die Fragen der Vermittlung von den Spezifika des Faches löst und an allgemeinen Bestimmungen kompetenzorientierter Zugangsformen zur Totalität des Lebens orientiert. In der Tat hängt in der Wirklichkeit alles mit allem zusammen. Wissenschaft besteht aber genau darin, diesen Zusammenhang zu zerschlagen, und mit Perspektiven auf Ausschnitte der Welt auch Fragestellungen, Gegenstandsbereiche, die Methoden der Forschung und die Verfahren der Vermittlung zu generieren. Die Disziplinierung des Wissens und damit die Konstitution des Faches war eine Voraussetzung für den Erkenntnisfortschritt. Dass die Ergebnisse einzelwissenschaftlicher Forschung wieder zusammengeführt werden müssen, setzt diese Trennung voraus. Nur wer eine Disziplin beherrscht, kann interdisziplinäre arbeiten. Die Frage ist, ob dieses Konzept noch tragfähig ist oder ob ein Jenseits der Disziplin möglich ist, das den gegenstandskonstituierenden Charakter des Faches transzendieren kann, ohne in methodische Beliebigkeit abzugleiten. Davon aber hängt auch die Frage der Vermittlung ab: ob es eine Auflösung der Fächer gibt, die diese oder ihre Residuen zu einem beliebig austauschbaren Material degradiert, an dem die erwünschten Kompetenzen erworben und geschult werden können: Denken lernen kann man dann, in dem man Platon liest, Latein lernt, Mathematik betreibt, ein Computerspiel spielt oder mit seinem Nachbarn diskutiert.

Vielleicht aber ist dies alles ein Irrtum.

 

Anmeldung per Email über fdzgeschichte@univie.ac.at (Andrea Ennagi)

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Veranstalter

Didaktik am Donnerstag - Kolloquium LehrerInnenbildung


Kontakt

Andrea Ennagi
Fachdidaktikzentrum Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung
01/4277-40012
andrea.ennagi@univie.ac.at