Mittwoch, 16. Juni 2021, 18:30 - 20:00 iCal

Ringvorlesung Turkologie Sommersemester 2021

„Happy Together”: The entangled history of Jewish communities in Ottoman lands and Turkey

Institut für Orientalistik
Spitalgasse 2, Hof 4.1 (Campus Universität Wien), 1090 Wien

Vortrag


Türkei: Der Mythos der Judenrettung und seine Funktion für die Genozidleugnung

Corry Guttstadt (Hamburg / Wien)

Abstract

Die Türkei stellt sich immer wieder als ein Land dar, welches während des Nationalsozialismus großzügig und unter Einsatz des Lebens einzelner Diplomaten Juden gerettet habe. „Der Kampf der Türkei gegen die europäischen Rassisten“ heißt der Untertitel des Buches eines hochrangigen Diplomaten a.D. Und das Begleitbuch zu dem teilweise mit Regierungsmitteln finanzierten und in zahlreichen Ländern von offiziellen türkischen Stellen gezeigten Filmes „Turkish Passport“ stellt gar die Behauptung auf: „Als die Juden in die Lager deportiert und ermordet wurden, war die Türkei das einzige Land, das sich dem entgegenstellte“. Durch ständige Wiederholung seitens offizieller Vertreter sowie die Verbreitung in populären Romanen, Filmen und Massenmedien ist diese Erzählung zu einem festen, sich selbst reproduzierenden Mythos geworden.

Dabei wird die behauptete großzügige Rettung von Juden durch die Türkei häufig in einem Atemzug mit Leugnung des Genozids an den Armeniern genannt, so als gäbe es einen kausalen Zusammenhang „Es gibt keinen Armeniergenozid, denn wir haben die Juden gerettet“. Offizielle türkische Stellen versuchten etliche Male, die (behauptete) Rettung von Juden auf internationaler Ebene als Argument zu benutzen, um eine Unterstützung für ihre Politik der Leugnung des Völkermords zu erreichen.

In meinem Vortrag werde ich zunächst die türkischen Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen und dabei auch untersuchen, was die Türkei bislang unternommen hat, um das Schicksal der türkische‐jüdischen Shoah‐Opfer aufzuarbeiten. Schließlich soll es darum gehen, in welchem Kontext und mit welchem Ziel die Rettungs‐Erzählungen entwickelt wurden und welche Wirkung sie national wie international entfaltet haben.

 

Bio

Studium der Turkologie und Geschichte an der Universität Hamburg,

M.A. in Turkologie 2005, Promotion in Geschichte 2009, ihre Dissertation Die Türkei, die Juden und der Holocaust (Assoziation A, 2008) wurde auch ins Türkische (İletişim, 2012) und Englische (Cambridge University Press, 2013) übersetzt.

2011/2012 Projektmanagerin am Anne‐Frank‐Zentrum in Berlin, seitdem Arbeit als selbständige Autorin, Übersetzerin und Wissenschaftlerin; mitunter Dozentin am Fachbereich Turkologie der Universität Hamburg, Mitarbeiterin (jetzt Geschäftsführerin) am Türkei‐Europa‐Zentrum, Hamburg.

Ab April 2021 ist sie Senior‐Fellow am Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust Studien. Aktuell arbeitet sie an einem Sammelband über „Antisemitismus in und aus der Türkei“. Neuere Publikationen:

‐ Wege ohne Heimkehr – Die Armenier, der Erste Weltkrieg und die Folgen, eine literarische Anthologie, Berlin, Assoziation, 2014;

‐ Bystanders, rescuers or perpetrators? The Neutrals and the Shoah, (mit Thomas Lutz, Bernd Rother and Yessica San Roman Hg.) IHRA series, vol. 2, Berlin, 2016;

‐ MUESTROS DEZAPARESIDOS – Chemins et destins des Judéo‐Espagnols de France ‐ 19.. /1945, (mit Henriette Asseo, Annie Cohen, Alain de Toledo, Xavier Rotea (eds.). (Mai 2019).

‐ Zwischen Aufbruch und Verfolgung: Migrationsgeschichten türkischer Juden im 20. Jahrhundert Berlin, Assoziation A, Mai 2021.

 

Über diesen Link können Sie direkt dem Zoom-Meeting beitreten

univienna.zoom.us/j/94972532827

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Veranstalter

Institut für Orientalistik


Kontakt

Ayse Dilsiz Hartmuth
Institut für Orientalistik
+43-1-4277-43451
ayse.dilsiz@univie.ac.at