Donnerstag, 23. Januar 2020, 18:30 - 20:00 iCal

Daimyats-Shintô im 17. Jahrhundert

Auftakt zu einem religiösen Paradigmenwechsel

Bernhard Scheid (Österreichische Akademie der Wissenschaften)

Institut für Ostasienwissenschaften - Japanoloige, Seminarraum JAP 1
Spitalgasse 2, UniversitätsCampus Hof 2, Eingang 2.4, 1090 Wien

Vortrag


Mein Vortrag widmet sich der Neuordnung von Religion und politischer Macht im 17. Jahrhundert, also zur Zeit der Konsolidierung des Tokugawa Shogunats, und geht dabei speziell auf die Rolle des Shintô ein. Als Grundlage dienen erste Erkenntnisse aus einem Forschungsprojekt zu diesem Thema, das derzeit unter meiner Leitung an der Akademie der Wissenschaften durchgeführt wird. Ausgangspunkt unserer Fragestellung waren eine Reihe religionspolitischer Maßnahmen, die in der Mitte des 17. Jahrhunderts einen kurzen, aber spektakulären Höhepunkt erfuhren: In einzelnen Regionen wurde der buddhistische Klerus und seine Tempelanlagen um mehr als die Hälfte reduziert, während zugleich Renovierungen und Wiedererrichtungen von alten Schreinanlagen massiv finanziert wurden. Diese Maßnahmen scheinen die bekannte „Trennung von Shintô und Buddhismus“ (shinbutsu bunri) der Meiji-Zeit vorwegzunehmen und waren offenbar von einer vergleichbaren Buddhismus-kritischen Grundhaltung getragen. Wie passen diese Fakten aber mit der generellen Religionspolitik des Tokugawa Shogunats zusammen? Wie von der jüngeren Forschung mehrfach thematisiert, sahen die Tokugawa im Buddhismus ihr wichtigstes Werkzeug gegen das von ihnen dämonisierte Christentum und förderten ausgewählte buddhistische Schulen als Instanzen der ideologischen Kontrolle. Was bewog nun einzelne Daimyo, anstelle des Buddhismus den Shintô zu forcieren? Handelte es sich um indirekte Kritik an der offiziellen Regierungslinie oder vielmehr um Versuche, die vom Staat verordnete anti-christliche Inquisition noch effizienter zu gestalten? Unser derzeitiger Befund sieht einen Mix von beiden Aspekten am Werk, erachtet aber das Bedürfnis nach religiöser oder vielmehr ritueller Autonomie aufseiten lokaler Fürsten als zusätzlichen Ansporn, um nach Alternativen zum Buddhismus zu suchen. Fest steht, dass es sich historisch gesehen um das erste Anzeichen eines Paradigmenwechsels im buddhistisch geprägten Weltbild der japanischen Vormoderne handelt. Wir schlagen daher den Begriff „Daimyats-Shintô“ (hanryô shintô) als Kennzeichnung der entsprechenden Reformen vor. In meinem Vortrag wird es darum gehen, den religionspolitischen Kontext, die konkreten Ausformungen und die längerfristigen Folgen des Daimyats-Shintô überblicksartig darzustellen.

Bernhard Scheid ist senior researcher am Institut für Kultur- und Geistesgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Seine Forschungen konzentrieren sich auf die Koexistenz von autochthonen („shintoistischen“) und buddhistischen religiösen Vorstellungen Japans von den Anfängen bis zur Moderne, wobei die „Erfindung des Shinto“ im japanischen Mittelalter einen besonderen Schwerpunkt darstellt. Zu diesen Themen publizierte er neben Büchern und Fachartikeln auch diverse digitale Projekte, die u.a. in seinen Lehrveranstaltungen an der Universität Wien zum Einsatz kommen.


Veranstalter

Institut für Ostasienwissenschaften/Japanologie und AAJ (Akademischer Arbeitskreis Japan)


Kontakt

Mag. Angela Kramer
Universität Wien
Institut für Ostasienwissenschaften - Japanologie
4277-43801
angela.kramer@univie.ac.at