Donnerstag, 19. Januar 2017, 16:00 - 18:00 iCal

Kolloquium LehrerInnenbildung

Prof. Dr. Kerstin Göbel (Universität Duisburg-Essen)

"Mehrsprachigkeit und Interkulturalität im Fremdsprachenunterricht"

Seminarraum Zentrum für LehrerInnenbildung
Porzellangasse 4, Stiege 2, 3. Stock, 1090 Wien

Vortrag


Mehrsprachigkeit ist in Zeiten von Globalisierung und Migration kein Ausnahmephänomen im Bildungssystem, sondern gehört zunehmend zum Alltag in mitteleuropäischen Schulen. Die Ergebnisse der DESI-Studie (Deutsch-Englisch-Schülerleistungen International) zeigen, dass mehrsprachige und nicht-deutsch-erstsprachige Lernende im Fremdsprachenunterricht einen Vorteil gegenüber monolingual deutsch-erstsprachigen Lernenden aufweisen (Hesse, Göbel & Hartig, 2008). Weitere aktuelle Befunde der empirischen Bildungsforschung zum Sprachenlernen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund weisen in eine ähnliche Richtung (Stanat & Edele, 2015) und psycholinguistische Analysen zeigen den Zusammenhang zwischen spezifischen kognitiven Kompetenzen und der Mehrsprachigkeit auf (Byalistok & Poarch, 2014). Neben der positiven Wirkung von Mehrsprachigkeit für das Individuum weisen Unterrichtsanalysen auf einen positiven Einfluss mehrsprachiger Lernender auf die Lernentwicklung der Schulklasse (Hesse, Göbel & Hartig, 2008) sowie auf die Anregung interkultureller Lehrlernprozesse hin (Göbel & Vieluf, in Vorb.). Die Ressource Mehrsprachigkeit könnte demnach von den Lehrpersonen im Hinblick auf das Sprachenlernen einerseits, aber auch für interkulturelle Lernangebote andererseits genutzt werden. Die im Rahmen der DESI-Studie befragten Lehrpersonen geben an, das Aufgreifen anderer Sprachen in ihrem Unterricht als sinnvoll zu erachten, dies jedoch tatsächlich kaum umzusetzen. Mehrebenenanalysen zeigen einen signifikanten positiven Zusammenhang zwischen Sprachentransferunterstützung und dem Gesamtergebnis der Englischleistung in den untersuchten Klassen (Göbel, Vieluf & Hesse, 2010; Göbel & Vieluf, 2014). In welcher Weise das Aufgreifen von Sprachkompetenzen der Lernenden im Kontext des Englischunterrichts überhaupt realisiert wird, zeigt sich in Analysen ausgewählter Unterrichtsvideos der DESI-Studie. Die Ergebnisse machen deutlich, dass das Aufgreifen anderer Sprachen im Englischunterricht tatsächlich selten stattfindet. Es zeigt sich weiterhin, dass Langsamkeitstoleranz der Lehrkräfte und ein offener Umgang mit Schülererfahrungen Qualitätsmerkmale des sprachensensiblen Englischunterrichts darstellen. Für die Entwicklung von sprachsensiblen Unterrichtsperspektiven ist offenbar die Berücksichtigung spezifischer Merkmale der Unterrichtsqualität nötig. Diese müssen in weiteren empirischen Studien jedoch noch präzisiert werden. Die relative Seltenheit des Aufgreifens verschiedener Sprachen im Englischunterricht legt die Annahme nahe, dass Lehrpersonen für die Realisierung von mehrsprachigkeitsorientierten Unterrichtsansätzen einer konzeptuellen Unterstützung bedürfen. Vor diesem Hintergrund wird die Frage aufgeworfen, in welcher Weise fremdsprachendidaktische Modelle und Modelle interkulturellen Lernens in einem sprach- und interkulturell sensibilisierenden Unterricht verbunden werden können, in dem die Nutzung migrationsbedingter Mehrsprachigkeit eine besondere Rolle eingeräumt wird. Schlussfolgerungen für eine sprachsensible Schul- und Unterrichtsentwicklung werden diskutiert.


Veranstalter

Zentrum für LehrerInnenbildung


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Kontakt

Tatjana Bacovsky
Zentrum für LehrerInnenbildung
+43-1-4277-602 91
tatjana.bacovsky@univie.ac.at