Freitag, 29. November 2013, 17:15 - 19:00 iCal

155. Institutsseminar des IÖG

Vortrag: Thomas Falmagne, Handschrift - Skriptorium - Bibliothek am Beispiel der Zisterzienserabtei von Orval von den Anfängen bis zum 18. Jahrhundert

Hörsaal des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
Universitätsring 1, 1010 Wien

Vortrag


Die Grundlage für den Vortrag bilden zum einen noch existierende Handschriften (76 Handschriften und vier Fragmente; der entsprechende Katalog wird 2014 erscheinen), zum anderen alte Inventare (vom 17. Jh. bis zu zwei Inventaren der Revolutionszeit) und zum dritten ein gutes Hundert noch erhaltener gedruckter Bücher. Im Hintergrund steht die Frage nach dem Aufbau einer Bibliothek in der Epoche der größten Blüte, nämlich in der zweiten Hälfte des 12. und der ersten Hälfte des 13. Jh. Entspricht der in Orval vorhandene Bestand der Norm der Zisterzienserbibliotheken? Wurden die Handschriften in Orval selbst angefertigt? Welche Rolle spielte das Mutterkloster Trois-Fontaines?

Der größte Unterschied zu anderen Zisterzienserbibliotheken liegt jedoch in den Handschriften, die in der zweiten Hälfte des 13. und zu Anfang des 14. Jh. entstanden sind. Einige juristische Werke bezeugen ein vorübergehendes (um 1300?), aber deutliches Interesse für das Rechtswesen, das zweifellos auf Kontakte zu einem oder mehreren Fachgelehrten an den Universitäten zurückzuführen ist. Außerdem weisen einige Handschriften Merkmale auf, die auf eine professionelle, wohl im universitären Umfeld anzusiedelnde Entstehung hindeuten.

Der erste noch erhaltene Bibliothekskatalog von Orval stammt aus dem 17. Jh. Auch wenn er im Vergleich zu in anderen Bibliotheken vorhandenen Dokumentationen nicht ganz befriedigend ist, nennt er dennoch einige heute verschollene Titel. Wichtig für die neuzeitliche Bibliotheksgeschichte ist weiters die Frage, ob aufgrund der gedruckten Bücher, die den Brand von 1793 überstanden haben, Rückschlüsse möglich sind auf die Aufstellung der Druckwerke und Handschriften in den Regalen sowie auf die Datierung der drei Systeme von Signaturen, die auf uns gekommen sind.

Thomas Falmagne promovierte in Geschichte an der Université catholique de Louvain mit einer Studie zu einem zisterziensischen Florilegium des 13. Jahrhunderts und nahm ein Postdoktorat am Pontifical Institute of Mediaeval Studies in Toronto wahr. Seit 2001 beschäftigt er sich mit der Beschreibung mittelalterlicher Handschriften, die sich auf dem Gebiet des Großherzogtums Luxemburg erhalten haben; seit 2011 ist er Mitglied des Comité international de paléographie latine. Seine Forschungsschwerpunkte sind zisterziensisches Buch- und Bibliothekswesen und die Rezeption der Kirchenväter in mittelalterlichen Florilegien.


Veranstalter

Institut für Österreichische Geschichtsforschung


Kontakt

Dr. Eva Stain
Institut für Österreichische Geschichtsforschung
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