Montag, 15. Januar 2018, 17:15 - 19:00 iCal

219. Institutsseminar, Daniel A. Di Liscia

Die Formlatitudenlehre und die Verbindung zwischen Mathematik, Natur-philosophie und Logik an der Wiener Universität des Spätmittelalters

Hörsaal des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
Universitätsring 1, 1010 Wien

Seminar, Workshop, Kurs


Das späte 14. und zum großen Teil das 15. Jahrhundert können nicht nur in sozialpoliti-scher Hinsicht als eine „Zeit des Umbruchs“ bezeichnet werden, sondern auch, wenn man das Zusammenspiel von Mathematik, Naturphilosophie und Logik berücksichtigt, in episte-mologischen Hinsicht. Zu einem ersten Umbruch kam es am Anfang des 14. Jahrhunderts bei den Oxford-calculatores, als diese die Anwendung der Mathematik auf die Naturphiloso-phie förderten und zugleich die Logik mit mathematisch-naturphilosophischen Inhalten er-gänzten. Zu einer zweiten Wende kam es dann, als Nicole Oresme bei der Entwicklung sei-ner „configurationes-Lehre“ die Geometrie als Basis einer ganz neuen Disziplin übernahm. Dieser geometrisierende Ansatz ist auch in dem kürzeren Tractatus de latitudinibus forma-rum vorhanden, einem Text, der mehr als jeder andere die Weiterentwicklung dieses An-satzes geprägt hat. Hierbei kommt der Wiener Universität, wo alle Ideen der Calculatores-Tradition gut bekannt waren und wo insbesondere dieser Text eifrig studiert, gekürzt und kommentiert wurde, eine entscheidende Rolle zu. In der Lehre kristallisierte sich eine neue, einzigartige Disziplin heraus: die sogenannte Wissenschaft der Formlatituden (scientia de latitudinibus formarum).

In meinem Vortrag werde ich auf die historische Entwicklung und den epistemologischen Hintergrund dieser Disziplin eingehen. Dabei werde ich eine Reihe von bisher kaum bekann-ten Dokumenten zur Sprache bringen, die uns genauer zeigen, mit welchen Schwierigkeiten die Wiener magistri sich beschäftigt haben, und diskutieren, wo die Grenzen der spätmittel-alterlichen Universitätsausbildung bei der Gründung einer neuen Disziplin lagen.


Veranstalter

Institut für Österreichische Geschichtsforschung


Kontakt

Stefanie Gruber
Institut für Österreichische Geschichtsforschung
27206
stefanie.gruber@univie.ac.at