Mittwoch, 15. November 2017, 18:30 - 20:00 iCal

Geschichte am Mittwoch

Jour fixe des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit in Kooperation mit Geschichte am Mittwoch

Scott Edwards (Wien): Im Spannungsfeld von Konfession, Nation und Tradition: Ludwig Senfl in den böhmischen Sammeldrucken

 

 

HS 45
Universitätsring 1, 1010 Wien

Vortrag


Unter den letzten Drucken des 16. Jahrhunderts, welche die lateinisch-textierte Musik von Ludwig Senfl posthum übermitteln, befinden sich vier Anthologien, die von Clemens Stephani, einem Schriftsteller und Buchhändler in der nordböhmischen Stadt Eger/Cheb herausgegeben wurden. Ein auffälliges Merkmal von dreien dieser Drucke ist, dass sie ausschließlich Kanons oder Werke, die prominent eine kanonische Faktur aufweisen, versammeln. Stephani war ein frommer Lutheraner, und es wurde bereits beobachtet, dass in den lutherischen Schulen des 16. Jahrhunderts Kanons von zentraler Bedeutung für die Musikpädagogik waren. In Vortrag werde ich die Bedeutung von Nordböhmen nicht nur für die lutherische Musikproduktion, sondern auch für die posthume Publikation/Überlieferung von Senfls Musik hervorheben. Bei der Zusammenstellung seiner Sammelbände baute Stephani auf einer Tradition der musikalischen Kultur auf, die bereits in der nahe gelegenen Stadt Sankt Joachimsthal/Jáchymov blühte. Hier hatten Johannes Mathesius und David Köler, die beide von Luthers Fürsprache für Senfl inspiriert waren, einen Lehrplan für die Musikausbildung in der örtlichen Lateinschule erstellt. In der konfessionell mehrdeutigen Gesellschaft Böhmens hat sich der lutherische musikalische Einfluss an verschiedene Umgebungen angepasst, eine Notwendigkeit, die wir in Stephanis Sammelbänden beobachten können. Die persönliche Abneigung des Herausgebers gegenüber „fremden“ musikalischen Einflüssen ist nur eine Manifestation der Vorurteile, welche die spätere Verbreitung der sakralen Musik von Senfl aufrechterhielten.

 

Zum Vortragenden:

Scott Edwards arbeitet derzeit an der Universität Wien als Mitarbeiter im FWF-Projekt „Ludwig Senfl: Sämtliche Werke (New Senfl Edition)“. Zuvor war er zwei Jahre als College Fellow in der Abteilung für Musik an der Harvard University tätig. Seine Dissertation „Repertory Migration in the Czech Crown Lands, 1570–1630“, schloss er im Jahr 2012 an der University of California, Berkeley ab. Aktuelle Artikel erschienen in The Journal of Musicology und Diasporas.

 

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Veranstalter

Institut für Geschichte


Kontakt

Mag. Dr. Martina FUCHS
Institut für Geschichte
4277 408 01
martina.fuchs@univie.ac.at